28 - Zauber der Anatomie: von den Toten lernen [ID:8620]
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Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, das ist das Institut. Viele von Ihnen

kennen das ja, von außen, manche auch von innen. Ich habe ja da, weil meine liebe Nachfolgerin,

die Frau Prof. Kürten so nett war und mir so ein Büro auch zur Verfügung gestellt hat,

gehe ich heute auch fast jeden Tag noch ein und aus. Also die Abläufe meines Lebens haben sich

nur unwesentlich geändert. Viele von Ihnen kennen auch diesen schönen Baldachin, ach so,

ja ja ich werde das auch verwenden, diesen schönen gemalten Baldachin, der Gott sei Dank unter

Denkmalschutz steht, sonst wäre er wahrscheinlich in den 70er Jahren, wie die damalige Generalsanierung

anstand, dann wäre dieses aus dem Erdboden gleich gemacht worden. Und dieser Sinnspruch

Hick Mors Gaudet su curare vite, der Tod hat seine Freude daran hier dem Leben beizustehen,

dem Leben zu helfen. Diesen Sinnspruch, denn kann man vielleicht bei der gegenwärtig anstehenden

Generalsanierung auch einmal hinschreiben. Er steht komischerweise in unserem Institut

noch nicht drinnen, aber in vielen anatomischen Instituten und vor allem auch Pathologien findet

man diese Inschrift. Ich erinnere mich in Wien, in der Wiener Pathologie steht das auch im Hörsaal.

Ich habe lang nicht kapiert, was es bedeutet, aber mühsam hat man das dann doch übersetzt. Der Tod

hat seine Freude daran, dem Leben zu helfen. Und was das so bedeutet in verschiedenen Aspekten,

will ich ganz kurz ausführen. Fangen wir gleich einmal mit einem konkreten Fall an. Anamnese,

ich habe das von einem unserer früheren Studenten, vom Herrn Dr. Manke, der jetzt seit einigen Jahren

Unfallchirurg in der Erler Klinik ist in Nürnberg. Und da haben wir mal diese Röntgenbilder geschickt,

weil es ein nicht unspektakulärer Fall ist. Die Anamnese, Sie sehen eine alte Dame, 95 Jahre,

das ist leider da abgeschnitten, macht aber nichts, ist gestolpert. Und was ist das Resultat von diesem

Unfall gewesen? Sowohl eine Schenkelhalsfraktur als auch eine Femurschaftfraktur, was eher

ungewöhnlich ist bei so einem banalen Trauma. Der Kollege Manke hat mich dann darauf hingewiesen,

das ist ein sogenanntes, ein typisches Hochrasanstrauma, findet man eigentlich häufiger

bei schweren Motorradunfällen und solchen Dingen, aber gibt es auch im ganz unspektakulären

Alltag zusammenhängen. Nun, und er hat dann diese Dame therapiert mit einer Endoprothese der Hüfte

und einer Verplattung des Oberschenkelschaftbruches. Warum kann der Herr Dr. Manke das machen? Weil

er mühsam als Student sich die Anatomie des Femur, des Oberschenkels angeeignet hat, dann natürlich

auch die Anatomie des Beckens, des Hüftgelenks und so fort. Und dann natürlich durch eifrige

Studium der entsprechenden Lehrbücher die Anatomie, die topografische Anatomie dieser ganzen

Oberschenkelregion, denn es ist ja um diesen Knochen noch einiges herum, die ganzen Muskeln,

die Blutgefäße, die Nerven etc. Und um diese Hüftprothese, diese total Endoprothese einzusetzen,

muss man auch sehr aufpassen, dass man diese Strukturen nicht verletzt, denn sonst hat der

Patient nichts davon. Das ist ein typisches Lehrbuchbild aus einem Topografie-Lehrbuch,

Haferl wird leider Gottes nicht mehr gedruckt, weil kein Mensch dieses dicke Buch mehr lesen

will und die Verlage da natürlich gewinnorientierterweise sich das gar nicht mehr antun. Und warum kann

man so ein idealisiertes Bild überhaupt abmalen? Das muss man natürlich vom Original abmalen. Und

viele von Ihnen kennen vielleicht diesen fotografischen anatomischen Atlas von meinem verehrten Vorgänger

Rohen, der tatsächlich Bilder, Fotos von Originalpräparaten, also vom Original zeigt. Und diese

Originalpräparate stammen natürlich von unseren Körperspendern, nach denen solche idealisierten

Bilder gemacht werden können. Es stellt sich ja auch heraus, dass die Anatomie im Detail nicht

bei jedem von uns gleich ist. Jeder von uns hat zwar diesen Quadriceps, Femoris zum Beispiel,

Oberschenkelstrecker, jeder von uns hat die Arteria Femoralis, die Venafemoralis. Aber so im Detail

sind dann die feineren Verzweigungen individuell ein bisschen variabel. Und dazu, um das überhaupt

abschätzen zu können, muss man natürlich viele viele von diesen Originalpräparaten anfertigen,

um dann zu so einem sozusagen idealisierten Summenbild zu kommen, was fälschlicherweise oft

für den sogenannten Normalfall gehalten wird. Nun gut, der Herr Dr. Manke hat natürlich auch

den Präparierkurs besucht, so schaut es zurzeit bei uns im Präpariersaal aus. Das sind die

Studenten ganz andächtig, wie sie sehen im zweiten Semester, die am Beginn des Kurses da

eingeführt werden in die Zusammenhänge, dass dort oben ein relativ angenehmes Arbeiten heute

stattfindet. Das verdanken wir diesen Lüftungsanlagen. Sieht so ein bisschen post-postmodern aus,

Teil einer Videoserie :

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:49:42 Min

Aufnahmedatum

2017-12-06

Hochgeladen am

2017-12-11 09:50:42

Sprache

de-DE

Medizin, Anatomie, Palliativ, Tod

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